Im Oktober 2021 traf sich der Weltrat der Religionsführenden zu einer Konferenz unter dem Motto „Generations in Dialogue“ in Lindau. Die drei Hauptthemen, um die es ging – Frieden und Sicherheit, Umweltschutz und Humanitäre Arbeit – sind ebenso drängend wie zeitlos. Neu sind dagegen die Herausforderungen einer internationalen Konferenz in Zeiten der Pandemie, betont Ulrich Schneider. Wir haben den Geschäftsführer der Stiftung Friedensdialog gefragt, warum gerade Lindau hierfür „ideale Voraussetzungen“ bietet.

Herr Schneider, Generations in Dialogue fand pandemiebedingt als hybride Veranstaltung statt. Einfacher wird das die Vorbereitung und Durchführung sicher nicht gemacht haben?

Nein, es ist schon Aufwand. Etwa 130 Gäste waren in Lindau anwesend, mehr als 1.700 Teilnehmende haben die Konferenz virtuell verfolgt. Das bedeutet Aufwand in beiden Welten. Vor Ort gilt es, Anreise, Aufenthalt und Verpflegung der Teilnehmenden zu organisieren, während gleichzeitig die technische Infrastruktur für das Videostreaming sichergestellt werden muss. Aber es hat sich gelohnt – und bietet Chancen.

Welche denn?

Wir haben dank der heutigen Technologien die Möglichkeit, Menschen aus aller Welt sehr niedrigschwellig an solchen Versammlungen teilnehmen lassen zu können, ohne dass man dazu reisen müsste. Das ist ein bisschen die Zukunft. Ich glaube nicht, dass wir das wieder ganz hinter uns lassen werden.

Weil sich ein Teil von uns ohnehin mit Videokonferenzen hat arrangieren müssen?

Wenn wir über Klimaschutz reden und allen klar ist, dass wir dringend etwas tun müssen, dann stellt sich doch mehr denn je die Frage, ob man eine Referentin oder einen Referenten für ein Statement von zehn Minuten um die halbe Welt fliegen muss – oder ob man sich für so etwas nicht auch online zuschalten lassen kann.

Werden Zusammenkünfte vor Ort bald überflüssig sein?

Nein, das glaube ich nicht. Reale Treffen haben ihren Wert, die Menschen wollen sich persönlich begegnen. Manchmal müssen sie das auch. Oft sind gerade die Pausengespräche im Foyer, zufällige Begegnungen miteinander, ein wichtiger Bestandteil solcher Konferenzen.

Sie haben viele Jahre Erfahrung mit religiösen Großveranstaltungen. Warum kommen religiöse Führerinnen und Führer aus aller Welt eigentlich in Lindau zusammen?

Als ich 2018 eingestiegen bin, war ich ehrlich gesagt auch überrascht, dass man vorhatte, hier am Bodensee solche Konferenzen auszurichten. Aber ich glaube, dass Lindau in gewisser Weise ideale Voraussetzungen mitbringt.

Was hat Lindau denn zu bieten, was die Metropolen der Welt nicht haben?

Ich sage immer etwas zugespitzt, wenn Sie eine große Konferenz zum Beispiel in Berlin veranstalten, dann verlieren sie ganz schnell einen Teil ihrer Gäste. Einfach, weil eine Weltstadt viel mehr Gelegenheiten bietet, anderweitig tätig zu sein und berufliche Kontakte wahrzunehmen. Dagegen sind wir hier in der Vierländerregion ein bisschen auf neutralem Boden, weit weg von jeglicher Einflussnahme. Kein Bischofssitz ist in der Nähe und auch keine Regierungsvertretung.

Mit dem Neubau der Inselhalle hat Lindau allerdings auch aktiv in den Tagungstourismus investiert.

Die Inselhalle bietet heute als Tagungsort ideale Voraussetzungen. Gerade, wenn hybride Veranstaltungen zur Regel werden, muss die Technik einfach laufen. Technik entwickelt sich allerdings recht schnell. Das bringt auch künftigen Investitionsbedarf mit sich. Sonst verliert man die Inhalte schnell wegen technischer Komplikationen aus dem Blick.

In Lindau war Ihnen von Anfang an wichtig, die Bevölkerung und die Kirchengemeinden mit einzubeziehen. Wie hat sich das entwickelt?

Wir wollten nicht wie ein Ufo in Lindau landen, um vier Tage lang eine Konferenz zu veranstalten. Wir möchten die Menschen miteinbeziehen. Darum haben wir zum Beispiel auch den Ring for Peace installiert, um einen Ort der Begegnung zu etablieren. In Lindau und der Region sind wir erfreulicherweise auf viel Offenheit gestoßen, zum Beispiel beim Museum „friedens räume“ oder mit dem Verein „Friedensregion Bodensee“. Vor allem aber zeichnet die Menschen hier eine große Gastfreundschaft aus. Das spüren und schätzen die Teilnehmenden sehr und freuen sich auf den Austausch vor Ort.

Ulrich Schneider
Der 49-jährige gebürtige Baden-Württemberger ist Diplom-Volkswirt und Europäischer Eventmanager. Als Geschäftsführer, Projektberater oder Organisatorischer Leiter hat er in den letzten 20 Jahren sein Know-how bei zahlreichen religiösen Veranstaltungen eingebracht. Von 2011 bis 2013 war er Abgeordneter für Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Seit 2018 ist Schneider Geschäftsführer der Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft (kurz auch: Ring for Peace) und damit unter anderem zuständig für die Ausrichtung der Zusammenkünfte von Religions for Peace. Auch für 2022 ist ein Event in Lindau geplant. Religions for Peace ist die weltweit größte Allianz religiöser Gemeinschaften. Das globale Netzwerk besteht aus nahezu 100 nationalen Mitgliedsverbänden und beschäftigt sich insbesondere mit den Themengebieten Konflikttransformation, der Förderung gerechter und harmonischer Gesellschaften, nachhaltiger menschlicher Entwicklung und Umweltschutz.